Traditionell zur Abstimmung über den künftigen Haushalt haben die Fraktionen die Möglichkeit, in einer ausführlichen Ansprache zur Finanzsituation der Stadt Stellung zu beziehen.
Wir veröffentlichen an dieser Stelle die vollständige Rede unseres Fraktionsvorsitzenden.
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Frau Eberwein, Herr Lieb,
die Stadt Coburg hat im Jahr 2020 ein sehr ordentliches Ergebnis erzielt, das man im letzten Jahr so nicht erwartet hatte. Dies ist nicht nur der Kämmerei und dem Stadtrat zu verdanken, sondern einigen Effekten, die wir nicht beeinflussen konnten, diesmal positive Effekte.
Die Stadt Coburg kann sich viel leisten. Das muss sie auch. Denn Steuergelder müssen einer Kommune bzw. den Bürgern zugute kommen. Auch wenn das Mahnen für die Zukunft berechtigt ist, müssen wir manchmal aber auch etwas mutig sein und Projekte angehen, die uns für die Zukunft gut aufstellen.
Wir müssen Entwicklungen einleiten, natürlich aber auch den Aspekt der Folgekosten berücksichtigen, denn nicht nur die Investitionen sind zu schultern.
So begann auch mein Statement letztes Jahr, ich hoffe ich kann diesen Satz auch noch ein paar Jahre weiterverwenden.
Bedanken möchten wir uns bei denen, die ihre Unternehmen hier in Coburg betreiben oder in Coburg ihre Einkommensteuer zahlen, das ist die Basis allen Handelns. Ohne diese Einnahmen könnten wir über vieles diskutieren, aber nichts umsetzen.
Die Herausforderung ist es, den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, dies gilt für den Umweltschutz ebenso wie für neue Konzepte der innerstädtischen Mobilität.
Zur Planung des Haushalts möchte ich im Namen unserer Fraktion noch folgenden Hinweis geben:
Im Rahmen der Sondersitzung des Finanzsenates wurde die Aufgabe an die Fraktionen gestellt, sich Gedanken über Einsparpotentiale für die Jahre 2022FF machen sollen.
Im Investitionshaushalt werden bereits Priorisierungen durch den Stadtrat vorgenommen, das müssen wir auch so fortschreiben. Jedoch kann es nicht die Aufgabe des Stadtrates oder der Fraktionen sein, die Defizite der Referate vorzugeben oder allgemein Sparvorschläge zu machen. Man erinnert sich an die s.g. Sparkommisionen die mit viel zeitlichem Aufwand wenig tatsächliche Ergebnisse erzeugt haben. Dies muss von der Verwaltungsspitze kommen.
Es ist Ihre Aufgabe, Herr Oberbürgermeister, die Richtlinien vorzugeben und Ziele zu definieren, um dann mit den Amtsleitern Maßnahmen zu erarbeiten, die diese erreichbar machen.
Woher soll ein Stadtrat oder eine Fraktion die Kostenstrukturen der Ämter kennen oder den Personalbedarf?
Natürlich müssen die Vorschläge der Verwaltungsspitze oder noch besser, die entsprechenden Konzepte, vom Stadtrat mitgetragen und abgesegnet werden. Die Frage nach Einsparpotenzialen an die so genannte „Politik“ kann man stellen, diese wird aber nicht beantwortbar sein, weil es in den verschiedenen Fraktionen sehr unterschiedliche Vorstellungen zu diesem Thema gibt.
Man hat zwar im Wahlkampf sehr oft betont, gemeinsam und miteinander vorgehen zu wollen, davon ist aber nicht mehr viel zu spüren. Man hat versucht Mehrheitsverhältnisse zu bilden, die dann entscheiden können, ohne sich abzustimmen zu müssen.
Die Kommunalwahl war das Plebiszit über die Zukunft unserer Stadt. Wir haben einen neuen jungen Oberbürgermeister, der mit einem Wahlprogramm angetreten ist, der mit seinen Vorstellungen für die Gestaltung Coburgs um Zustimmung geworben hat.
Nun ist es an der Zeit, auch konkrete Maßnahmen und Prioritäten – einen Plan für die Zukunft unserer Heimatstadt – zu entwickeln, zur Diskussion zu stellen, um Zustimmung zu werben und Mehrheiten im Stadtrat dafür zu finden.
Dies kann und wird nicht Aufgabe der Fraktionen im Stadtrat sein. Wir stehen zu unseren Aussagen und Themen im Wahlkampf und wir lassen uns von guten Argumenten überzeugen. Denn nur gemeinsam wird eine Gestaltung unser aller Zukunft in dieser Stadt gelingen.
Und es gibt viel zu gestalten. Unsere Stadt wird sich verändern, und es ist an uns diese Veränderungen gestaltend zu begleiten und nicht lediglich zu verwalten.
Die größten Veränderungen sehen wir im Bereich Mobilität, Handel und Wohnen. Der Umbau der Stadt ist eine große Aufgabe. Der Spagat zwischen Wohnen und Handel, Transport und Lagern in bestehenden Strukturen ist groß. Wir müssen Zeichen setzen und Angebote schaffen – beim Radfahren, beim ÖPNV und auch bei neuen Wohnformen. Die Wohnbau ist hier auf einem gutem Weg. Aber sie braucht uns zur Umsetzung.
Der Innenstadt und dem Handel stehen Veränderungen bevor, die durch Corona noch weiter beschleunigt werden. Das Kommen und Gehen der typischen Handelsketten wird nicht mehr funktionieren. Können wir es zulassen, dass Investoren die keinen Bezug zu Coburg haben, die Eigentümer der wichtigsten Immobilien sind und für diese utopische Mieten aufrufen? Hier sind neue Konzepte und Strategien nötig. Die Wifög hat hier erste Ideen erarbeitet.
Wir müssen heute die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die nächsten Generationen weiterhin gerne in unserer Stadt leben, arbeiten, Familien gründen – Kurz: Coburg mit Freude ihr zu Hause nennen. Sonst war alles umsonst.
Wir reden seit vielen Jahren über den Ausbau des Radwegenetzes. Dieser wird nur gelingen, wenn wir den Individualverkehr durch neue Mobilitätskonzepte ersetzen.
Dazu sind Investitionen notwendig – das wissen wir seit Jahren – aber wir haben uns nicht getraut, es zu tun! Die Bürger werden zurecht ungeduldig, wenn wir nur über Konzepte, Arbeitsgruppen und Berater reden, sich aber nichts spürbar ändert.
In der Arbeitsgruppe Radwegenetz haben wir einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der bisher nur ansatzweise umgesetzt wurde. Das muss nun deutlich schneller gehen. Wir wollten uns als fahrradfreundliche Stadt zertifizieren lassen, da hat man schnell gemerkt, was noch alles fehlt.
Zur allgemeinen Finanzsituation:
Wir benötigen erstmal keine Kredite, das ist prima, trotzdem wird es so sein, dass unsere Rücklagen abschmelzen. Zumindest wenn die Gewerbesteuereinnahmen so zurückgehen, wie im Haushalt bis 2024 prognostiziert wurde. Auch hier braucht man Ziele, wie z.B. dass die liquiden Mittel der Stadt nicht weniger als 50 Mio sein sollten, um die später anstehenden Projekte schultern zu können. Welche zusätzlichen Mittel für die Sanierung des Landestheaters und den Klinikneubau nötig sind, weiß man heute noch nicht genau, aber da kommt etwas Großes auf uns zu.
Es ist klar, dass wir trotz dieser Großprojekte handlungsfähig bleiben müssen, denn wir brauchen mehr Ausgeglichenheit über die verschiedenen Themen hinweg, Kunst und Kultur, Bildung und Jugend, Soziales und Stadtentwicklung, wir müssen allen gerecht werden.
Manchmal dürfen wir nicht „schräubeln“, manchmal müssen wir auch schrauben, denn die Schokostreusel sind bald aufgebraucht.
Generell kann man bei aller Vorsicht sagen, dass unsere Verbindlichkeiten planmäßig abnehmen und dass die Pro-Kopf-Verschuldung weiter sinken wird, auf einen Wert der bundesweit seinesgleichen sucht. Darauf dürfen wir durchaus stolz sein, auch mal gemeinsam.
Wir stimmen dem vorgestellten Haushaltsplan zu und bedanken uns bei Frau Eberwein und Ihrem Team für die Erstellung der umfangreichen Planungen.“